Spinale Muskelatrophie

Ursache von SMA

Aufgrund einer Veränderung des SMN1-Gens kommt es zu einem Mangel an SMN-Protein. Das SMN-Protein ist wichtig für die Motoneuronen im Rückenmark, die Informationen vom Gehirn an die Muskeln weiterleiten. Durch diesen Mangel gehen die Motoneuronen mit der Zeit zugrunde und die Muskeln verkümmern – es kommt zu Muskelschwäche und Muskelschwund (Atrophie).

Bei Menschen mit SMA ist die Bildung des SMN-Proteins auf die Aktivität des SMN2-Gen beschränkt. Im Vergleich zum SMN1-Gen sind jedoch 90% des SMN-Proteins, das über das SMN2-Gen gebildet wird, instabil und werden rasch abgebaut (siehe Abbildung 1). Von Mensch zu Mensch variiert die Anzahl der SMN2-Genkopien. Daher gilt, je geringer die Zahl an SMN2-Genkopien, desto schwerwiegender ist die Erkrankung.2,3

Abbildung 1. Rolle der Gene SMN1 und SMN2 bei SMA. Quelle: https://roche-fokus-mensch.ch

Vererbung der SMA

Die SMA wird autosomal-rezessiv vererbt. Das bedeutet, dass beide Elternteile Träger eines defekten SMN1-Gens sein müssen, damit ihre Nachkommen an SMA erkranken. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Nachkommen an SMA erkranken, liegt damit bei 25 %. Aus Untersuchungen geht hervor, dass etwa 1 von 50 Menschen ein Träger ist (siehe Abbildung 2).4

Abbildung 2. Autosomal-rezessive Vererbung der SMA. Quelle: https://roche-fokus-mensch.ch

Einteilung der Spinalen Muskelatrophie in verschiedene Typen

Bisher wurden bei SMA traditionell drei bzw. vier Typen unterschieden – je nach Lebensalter bei Beginn der Erkrankung und nach den erreichten motorischen Funktionen bei Diagnosestellung (siehe Abbildung 3). Diese Einteilung gibt aber keine Information über die aktuellen, tatsächlichen motorischen Fähigkeiten und mögliche damit verbundene Einschränkungen der Betroffenen. In etwa 60% der Fälle liegt eine SMA Typ I vor. Der Beginn einer SMA im Erwachsenenalter (Typ IV) ist wesentlich seltener als die anderen Formen (nicht in Abbildung 3 beschrieben).5 Zusätzlich gibt es eine weitere SMA-Form (Typ 0), die schon im Mutterleib beginnt, sehr schwer verläuft und meist vor dem sechsten Lebensmonat tödlich endet, manchmal bereits im Mutterleib.6

SMA
Typ I Werdnig-Hoffmann
Typ II intermediäre SMA
Typ III Kugelberg-Welander
Beste je erreichte Funktion
Sitzen niemals möglich
Sitzen möglich, Stehen niemals möglich
Stehen und Gehen möglich
Alter bei Erkrankungsbeginn
0-6 Monate
7-18 Monate
> 18 Monate
Typische klinische Befunde
Schwere Hypotonie und Muskelschwäche, kraftloses Schreien und Husten, Schluckschwierigkeiten - auch des eigenen Speichels, früher Tod durch Ateminsuffizienz und Aspirationspneumonie
Verzögerte motorische Entwicklung, feinschlägiger Handtremor, schwacher Hustenstoss, Gelenkkontrakturen und Skoliose
Muskelschwäche verschieden stark ausgeprägt, häufig Krämpfe der Muskulatur, Überbeanspruchung der Gelenke, Verlust der Gehfähigkeit im Verlauf der Erkrankung

Abbildung 3. Einteilung der spinalen Muskelatrophie in 3 Typen (die seltenen SMA-Typen 0 und IV sind nicht beschrieben) – natürlicher Verlauf, ohne Therapie.7-13

Der Behandlungsansatz in der SMA-Therapie ist multidisziplinär

Die Spinale Muskelatrophie ist eine komplexe Erkrankung und erfordert daher eine integrierte Behandlung durch ein multidisziplinäres Betreuerteam (siehe Abbildung 4). Die Koordination sollte der Neurologe oder Neuropädiater übernehmen. Der Umfang der Betreuung hängt von der Schwere der Erkrankung und den individuellen Komplikationen der Patienten ab. Die SMA-Behandlung erfolgt in speziellen Behandlungszentren.

Welche Behandlungsmöglichkeiten der SMA gibt es?

  • Eine krankheitsmodifizierende Behandlung für SMA

  • Symptomatische Behandlung von möglichen Komplikationen

  • Unterstützung der Atmung

  • Physiotherapie/Ergotherapie

  • Orthopädische Unterstützung und Hilfsmittel

Abbildung 4. Multidisziplinärer Therapieansatz bei SMA ᵐᵒᵈᶦᶠᶦᶻᶦᵉʳᵗ ⁿᵃᶜʰ ¹³

M-CH-00002604   07/2022

Referenzen

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  2. Feldkotter M, et al. Quantitative analyses of SMN1 and SMN2 based on real-time lightCycler PCR: fast and highly reliable carrier testing and prediction of severity of spinal muscular atrophy. Am J Hum Genet 2002; 70:358-368.

  3. Bowerman M, et al. Therapeutic strategies for spinal muscular atrophy: SMN and beyond. Dis Model Mech 2017; 10:943-954.

  4. Sugarman EA, et al. Pan-ethnic carrier screening and prenatal diagnosis for spinal muscular atrophy: clinical laboratory analysis of >72,400 specimens. Eur J Hum Genet 2012; 20:27-32.

  5. Kolb SJ, Kissel JT. Spinal Muscular Atrophy. Neurol Clin 2015; 33:831-846.

  6. Dubowitz V. Very severe spinal muscular atrophy (SMA type 0): an expanding clinical phenotype. Eur J Paediatr Neurol 1999; 3:49-51.

  7. Finkel RS et al. (2017) ENMC SMA Workshop Study Group. 218th ENMC International Workshop: Revisiting the consensus on standards of care in SMA Naarden, The Netherlands, 19-21 February 2016. Neuromuscul Disord 27 (6):596-605.

  8. Butchbach ME. Copy Number Variations in the Survival Motor Neuron Genes: Implications for Spinal Muscular Atrophy and Other Neurodegenerative Diseases. Front Mol Biosci 2016; 3:7.

  9. Prior TW. Perspectives and diagnostic considerations in spinal muscular atrophy. Genet Med 2010; 12:145-152.

  10. Crawford TO, et al. Evaluation of SMN protein, transcript, and copy number in the biomarkers for spinal muscular atrophy (BforSMA) clinical study. PLoS One 2012; 7:e33572.

  11. Farrar, M., Park, S., Vucic, S., Carey, K., Turner, B., Gillingwater, T., Swoboda, K. and Kiernan, M., 2017. Emerging therapies and challenges in spinal muscular atrophy. Annals of Neurology, 81(3), pp.355-368.

  12. Kaufmann P, et al. Prospective cohort study of spinal muscular atrophy types 2 and 3. Neurology 2012; 79:1889-1897.

  13. Mercuri E,etal. Diagnosis and management of spinal muscular atrophy:Part1: Recommendations for diagnosis, rehabilitation, orthopedic and nutritional care. Neuromuscul Disord 2018; 28:103-115.

Die spinale Muskelatrophie (SMA) ist eine seltene, erblich bedingte, neuromuskuläre Erkrankung, die zu Muskelschwäche und je nach Ausprägung auch zu Beeinträchtigungen anderer Bereiche des Körpers führen kann. Weltweit ist etwa 1 von 10'000 Neugeborenen von SMA betroffen.¹ Schätzungen zufolge gibt es in der Schweiz aktuell 130 Patienten mit SMA.

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